Seite:De Kafka Ein Brudermord 83a.jpg

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Gerade an der Grenze, welche die Gassen scheidet, bleibt Wese stehn, nur mit dem Stock stützt er sich in die jenseitige Gasse. Eine Laune. Der Nachthimmel hat ihn angelockt, das Dunkelblaue und das Goldene. Unwissend blickt er es an, unwissend streicht er das Haar unter dem gelüfteten Hut; nichts rückt dort oben zusammen, um ihn die allernächste Zukunft anzuzeigen; alles bleibt an seinem unsinnigen, unerforschlichen Platz. An und für sich sehr vernünftig, daß Wese weitergeht, aber er geht ins Messer des Schmar.

„Wese!“ schreit Schmar, auf den Fußspitzen stehend, den Arm aufgereckt, das Messer scharf gesenkt. „Wese! Vergebens wartet Julia!“ Und rechts in den Hals und links in den Hals und drittens tief in den Bauch sticht Schmar. Wasserratten aufgeschlitzt, geben einen ähnlichen Laut von sich wie Wese.

„Getan,“ sagt Schmar und wirft das Messer, den überflüssigen blutigen Ballast, gegen die nächste Hausfront. „Seligkeit des Mordes! Erleichterung, Beflügelung durch das Fließen des fremden Blutes!

Empfohlene Zitierweise:
Franz Kafka: Ein Brudermord. In: Marsyas. Eine Zweimonatsschrift, herausgegeben von Ferdinand Bruckner, Berlin 1917, Seite 83a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kafka_Ein_Brudermord_83a.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)