Seite:De Kafka Hungerkünstler 50.png

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also nicht,“ sagte der Aufseher, „warum sollen wir es denn nicht bewundern?“ „Weil ich hungern muß, ich kann nicht anders“, sagte der Hungerkünstler. „Da sieh mal einer,“ sagte der Aufseher, „warum kannst du denn nicht anders?“ „Weil ich,“ sagte der Hungerkünstler, hob das Köpfchen ein wenig und sprach mit wie zum Kuß gespitzten Lippen gerade in das Ohr des Aufsehers hinein, damit nichts verloren ginge, „weil ich nicht die Speise finden konnte, die mir schmeckt. Hätte ich sie gefunden, glaube mir, ich hätte kein Aufsehen gemacht und mich vollgegessen wie du und alle.“ Das waren die letzten Worte, aber noch in seinen gebrochenen Augen war die feste, wenn auch nicht mehr stolze Überzeugung, daß er weiterhungre.

„Nun macht aber Ordnung!“ sagte der Aufseher, und man begrub den Hungerkünstler samt dem Stroh. In den Käfig aber gab man einen jungen Panther. Es war eine selbst dem stumpfsten Sinn fühlbare Erholung, in dem so lange öden Käfig dieses wilde Tier sich herumwerfen zu sehn. Ihm fehlte nichts. Die Nahrung, die ihm schmeckte, brachten ihm ohne langes Nachdenken die Wächter; nicht einmal die Freiheit schien er

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Franz Kafka: Ein Hungerkünstler (Sammelband). Berlin: Die Schmiede, 1924, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kafka_Hungerk%C3%BCnstler_50.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)