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Graben trocken ward und sie hindurch gehen konnte. Nun ging sie in den Garten und der Engel ging mit ihr. Sie sah einen Baum mit Obst, das waren schöne Birnen, aber sie waren alle gezählt. Da trat sie hinzu und aß eine mit dem Munde vom Baum ab, ihren Hunger zu stillen. Der Gärtner sah es mit an, weil aber der Engel dabei stand, fürchtete er sich und meinte, es wär ein Geist und hatte nicht gerufen, auch nichts gesagt. Als sie aber die Birne gegessen, war sie satt davon und versteckte sich in das Gebüsch. Der König, dem der Garten gehörte, kam am andern Morgen herab, da zählte er und sah, daß eine der Birnen fehlte und fragte den Gärtner, wo sie hin wäre? sie liege nicht unter dem Baum und sey doch weg. Da antwortete der Gärtner: „in dieser Nacht kam ein Geist herein, der hatte keine Hände und aß eine mit dem Munde ab.“ Der König sprach: „wie ist der Geist über das Wasser hereingekommen, und wo ist er hingegangen?“ Der Gärtner antwortete: „es kam einer im schneeweißen Kleide vom Himmel, der hat die Schleuße vorgezogen und das Wasser gehemmt; und weil das ein Engel muß gewesen seyn, habe ich mich gefürchtet, nicht gefragt und nicht gerufen. Darnach ist der Geist wieder zurückgegangen.“ Der König sprach: „künftige Nacht will ich bei dir wachen.“

Als es nun dunkel ward, kam der König in den Garten und hatte einen Priester mitgebracht, der sollte den Geist anreden. Sie setzten sich alle drei unter den Baum und gaben acht. Um Mitternacht kam sie aus dem Gebüsch gekrochen, trat zu dem Baum und aß mit dem Munde wieder eine Birne ab. Neben

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_161.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)