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König merkte, daß viel harte Thaler fehlten, konnte aber nicht begreifen, wer es sollte gestohlen haben, da die Schlösser in gutem Stand waren und alles wohl verwahrt schien. Da ging er wieder fort und sprach zu den zwei Wachen: „habt acht, es ist einer hinter dem Geld!“ Als der Daumerling nun seine Arbeit von neuem anfing, hörten sie das Geld drinnen sich regen und klingeln: klipp, klapp! klipp, klapp! sprangen geschwind hinein und wollten den Dieb greifen. Aber das Schneiderlein, das sie kommen hörte, war noch geschwinder, sprang in eine Ecke und deckte einen Thaler über sich, so daß nichts von ihm zu sehen war, neckte die Wachen und rief: „hier bin ich!“ Die Wachen liefen dahin, wie sie aber ankamen, war es schon in eine andere Ecke unter einen Thaler gehüpft und rief: „he! hier bin ich!“ Die Wachen sprangen eilends zurück, es war aber längst in einer dritten Ecke und rief: „he! hier bin ich!“ Und so hatte es sie zu Narren, und trieb sie so lange in der Schatzkammer herum, bis sie müd’ waren und davon gingen. Nun warf es die Thaler nach und nach alle hinaus, und den letzten schnellte es mit aller Macht, hüpfte dann selber noch behendiglich darauf und flog damit durchs Fenster hinab. Die Räuber machten ihm große Lobsprüche: „du großer Held, sagten sie, willst du unser Hauptmann werden.“ Es bedankte sich aber und sagte, es müßte erst die Welt sehen. Sie theilten nun die Beute, das Schneiderlein aber wollte nur einen Kreuzer, weil es nicht mehr tragen konnte.

Darauf schnallte es seinen Degen wieder um den Leib, sagte den Räubern guten Tag und nahm den Weg zwischen die Beine.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_221.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)