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65.


Allerlei-Rauh.


Es war einmal ein König, dessen Frau hatte Haare von lauterem Gold und war so schön, daß sich ihres Gleichen nicht mehr auf Erden fand. Es geschah, daß sie krank lag und als sie fühlte, daß sie bald sterben würde, rief sie den König und sprach: „wenn du nach meinem Tode dich wieder vermählen willst, so nimm keine, die nicht eben so schön ist, als ich bin und die nicht solche goldene Haare hat, wie ich habe; das mußt du mir versprechen“ Nachdem es ihr der König versprochen hatte, that sie die Augen zu und starb.

Der König war lange Zeit gar nicht zu trösten und dachte nicht daran, eine zweite Frau zu nehmen. Endlich sprachen seine Räthe: „es geht nicht anders, der König muß sich wieder vermählen, damit wir eine Königin haben.“ Nun wurden Boten weit und breit umhergeschickt, um eine Braut zu suchen, die so schön wäre, als es die verstorbene Königin gewesen. Es war aber keine Königstochter in der Welt so schön, und wenn sie’s auch gewesen wäre, so waren doch solche goldene Haare nicht mehr zu finden. Also kamen die Boten unverrichteter Sache wieder heim.

Nun hatte der König eine Tochter, die war gerade so schön, wie ihre verstorbene Mutter und hatte auch solche goldene Haare. Als sie herangewachsen war, sah sie der König einmal an und sah, daß sie in allem seiner verstorbenen Gemahlin gliche, da fühlte er eine heftige Liebe zu ihr und sprach zu seinen Räthen:

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_356.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)