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dem Hort der Nibelungen liegt daher die Wünschelruthe, der Zauberstab, bedeutungsvoll verschlossen und zeigt, daß Kampf um den Besitz des höchsten Guts der eigentliche Inhalt der alten Sage ist. Im Titurel Str. 4751. steht die merkwürdige Stelle: „wande sich der gral gelichtet dem paradis mit siner wunschelruoten[1].“ Die weiße, d. h. die glänzende, auf dem Gold ruhende Schlange (Fafner) womit die Unke, die eine Krone trägt und die kostbarsten Schätze gesammelt hat, übereinstimmt, ist gleichfalls ein Symbol jenes Horts; darum erwirbt, wer von ihr ißt, d. h. ihres Wesens theilhaftig wird[2], die höhere Einsicht in die Natur der Dinge, versteht die Sprache der Vögel und hat das Glück an sich gebannt. Ferner das Herz des auf Goldeiern brütenden, selbst goldgefiederten Vogels, ist wieder nichts anders, als jenes Schlangenherz und wenn dem, der es genossen, das Gold im Schlaf unter dem Haupt wächst, so ist das ein bezeichnendes Bild von der unbewußt in ihm wirkenden Kraft. Hierher gehört auch die unter den


  1. Es verdient angemerkt zu werden, daß Valhaull (der selige Aufenthalt der im Kampf Gebliebenen) in der Atlaquida (Str. 2. 14) bloß die herrliche, die Wunschhalle heißt; Wunsch hier, wie überhaupt bei den Wünscheldingen in dem alten Sinne als Inbegriff alles Wünschenswerthen genommen. Daselbst wird auch (Str. 30.) der in den wallenden Rhein zu versenkende Hort val. baugar genannt, zunächst herrliche, ausgewählte Ringe; weil aber der, welcher die Wahl hat, seine Wünsche befriedigen kann, auch Wunschringe. – Sonst kommt die Sache in der Edda noch unter anderm Namen vor: Gamban-trinn, Wünschelruthe (Skirnisf. 32.) und Gamban-sumi Wunschtafel (Aegisdr. 8.).
  2. So erhält Loke erst seine böse Natur, nachdem er das gebratene Herz eines bösen Weibes gegessen. Hyndluliod Str. 37.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite XXXVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_v_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)