Seite:De Kinder und Hausmärchen Grimm 1819 V2 226.jpg

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Morgen ihre Schuhe zertanzt und wußte niemand, wo sie gewesen und wie es zugegangen war. Da ließ der König ausrufen, wers könnte ausfindig machen, wo sie in der Nacht tanzten, der sollte sich eine davon zur Frau wählen und nach seinem Tod König seyn; wer sich aber meldete und es nach drei Tagen und Nächten nicht herausbrächte, der hätte sein Leben verwirkt. Es kam bald ein Königssohn, der ward wohl aufgenommen, und Abends in das Zimmer geführt, das vor dem Schlafsaal der zwölf Töchter war, da stand sein Bett und da sollte er Acht haben, wo sie hingingen und tanzten; und damit sie nichts heimlich treiben konnten oder zu einem andern Ort hinausgingen, war auch die Saalthüre offen gelassen. Der Königssohn aber schlief ein und als er am Morgen aufwachte, waren alle zwölfe zum Tanz gewesen, denn ihre Schuhe standen da und hatten Löcher in den Sohlen. Den zweiten und dritten Abend gings eben so und da ward ihm sein Haupt abgeschlagen; und so kamen noch viele und meldeten sich zu dem Wagestück, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trug sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zuging, wo der König wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn, wo er hin wollte. „Ich weiß selber nicht recht, sprach er, aber ich hätte wohl Lust König zu werden und auszumachen, wo die Königstöchter ihre Schuhe vertanzten.“ „Ei, sagte die Alte, das ist so schwer nicht, du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun, als wärst du fest eingeschlafen.“ Darauf gab sie ihm ein Mäntelchen und sprach: „wenn du das

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V2_226.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)