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den Jungen in den Kasten;
Morgen wollen wir fasten!“

In Balth. Schnurrs Kunst- und Wunderbuch S. 127. V. 151 lauten diese Verse etwas verschieden; und dann weiter:

„Wir treiben ihn über Berg und tiefe Thal,
das er nicht wieder kommen soll.
Wir treiben ihn über die Heide,
da thun wir den Schäfern zu Leide.“

Oder in Nürnberg:

„Heut ist Mittfasten, wohl ist das!
trägt man den Tod ins Wasser wohl ist das!“

Bei diesem Zug laufen die Knaben geschwind, wie die Todtengräber, wenn sie eine arme Leiche tragen. Draußen vor dem Thor stürzen sie das Bild ins Wasser[1] oder werfen es auch wohl auf den Rabenstein; man glaubt, daß dadurch die Pest abgewendet werde. Ist nun der Winter getödtet, so bringen sie den Sommer. So heißt nämlich ein mit Kuchen, bunten Eierschalen, farbiger Wolle, silbernen Gürteln, Winterkränzen geschmückter Baum, den die Knaben in die Stadt tragen und gegen ein Geschenk vor die Thüre Neuvermählter setzen; es ist der Baum der Glückseligkeit. Ziehen sie damit durch Dörfer, so werden sie beschenkt mit Pretzeln, Eiern und Bohnen. Fromme Leute schicken den


  1. Man erinnert sich hierbei einer altrömischen Sitte. Am 15ten Mai pflegten die vestalischen Jungfrauen, in Begleitung der Magisträte und Priester die Bilder von dreißig alten Männern, aus Binsen gemacht, auf den pons sublicius zu tragen und in die Tiber zu werfen.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1819). G. Reimer, Berlin 1819, Seite XXXVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V2_A_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)