Seite:De Merian Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae 526.png

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Wenda / Wenden / Venda.

Von den Polen Kies genandt / ist ein alter / und vor Jahren berühmter Ort gewesen / allda der Meister deß Lifländischen Ordens Hoff gehalten / und die Landtäge gemeinlich angestellt worden seynd. Anno 1577. den 2. Augusti hat sich Stadt / und Schloß / dem Hertzog Magno von Holstein ergeben / darauff der Großfürst auß der Moscau / in eygener Person / darfür kommen / das Städtlein eingenommen / und das Schloß beschiessen lassen. Hertzog Magnus, den der besagte Großfürst / und Tyrann / Johannes Basilides, zuvor / zum König in Liffland gemacht / und ihme seines hingerichten Brudern Tochter zur Ehe geben hatte / gehet vom Schloß herab / thut dem Großfürsten einen Fußfall / der verzeihet ihm / daß er nicht gehalten / was er versprochen / sondern Kakenhausen / ohn deß Großfürsten Vorwissen / für sich eingenommen / und anders mehr gethan: führet ihn gleichwol eine Zeitlang mit sich / und läst ihn endlich zu Derpt / in der Ruckreise / loß / und zu seiner Gemahlin auff Karkhausen. Die andern auff dem Schlosse allhie zu Wenden hatten keine Rettung / oder Fristung ihres Lebens zu hoffen; daher sie sich zum Tode rüsteten / zuvor aber das H. Abendmal (dabey sich ein sonderlich Wunderwerck / das Salomon Henning im 3. Theil seiner Chronick / fol. 65. seq. erzehlet / begeben) empfingen / und darauff die meisten / deren viel gewesen / sich selbsten / mit Weib / und Kindern / in einem Gemach / mit Pulver in die Lufft sprengten: die übrigen / so der Tyrann / in Eroberung deß Schlosses / bekommen / wurden hingerichtet: zwen vom Adel aber wunderlich / zwar mit grosser Gefahr / beym Leben erhalten. D. Laurentius Müller beschreibet / in seinen obangezogenen Historien / jetzterwehnte That mit folgenden Worten: In Belägerung Wenden ist es so jämmerlich zugangen daß auch etliche fürnehme Frauen / und Jungfrauen / da sie vom Schlosse sehen kondten / was Tyranney die Moscowiter an jung / und alt / ja was Schand / und ubels / sie an Frauen / und Jungfrauen / übeten / und sie darnach mit den Sebeln von einander haueten / haben sie sich in grosser Anzahl / mit etlichen wenig Manns-Person / und ihren kleinen Kinderlein / im Schloß zu Wenden / neben dem grossen Heermeister Saal / in ein starck Gewölb verfüget / Essen / und Trincken / so viel sie übrig gehabt / mit sich genommen / sich mit dem lieben Gott versühnet / und vereiniget / und ihren besten Zierath / und Geschmeide / angeleget; und do sie gesehen / daß jetzt der Moscowiter der Stadt / und Schlosses / mächtig werde / haben sie ihre Kinderlein in ihre Arm gedruckt / das Pulver / so sie zuvor unter das Gewölbe geordnet gehabt / mit einem langen Luntenstabe zum Fenster hinab angezündet / einander gesegnet / Gott angeruffen / und also sich selbst gesprengt. Welche That den benachbarten Städten / und Häusern ja auch der Stadt Riga mercklichen Schrecken / und dem Tyrannen / dem Moscowiter / groß Verwunderung gebracht. Und obwol die Theologi zu Riga wider solche / der Wendischen Frauen / und Jungfrauen / selbst Sprengunge / viel geprediget / und dasselb verdammet / so mag doch ein jeder selbst urtheilen / woran in so grosser Bedrengung / und fürstehender Schand / und Laster / darauff / doch alsobald der Tod auch für Augen war besser gethan sey gewesen. Biß hieher dieser der Rechten Doctor / und gewester Fürstlicher Churländischer Hofrath / im Buchstaben B. ii. der auch sagt / daß diese Stadt Wenden sehr wol / und lustig lige / und daß sie / zur Zeit des Ordens / die Hauptstadt in gantz Lifland gewesen seye / deren Lager sonsten in Lettenia, oder Lettia, bey dem Wasser Aa. Es hat aber noch im besagten 1577. Jahr / der oben bey Treiden gedachte Secretarius, Johannes Bürinck / oder Büring / dieses Wenden / so der Moscowiter / bey seinem Abzug / wol besetzter verlassen / bey der Nacht / und zwar erstlich das Schloß / erstiegen / und viel Reussen darin niedergemacht; Hernach ist er in die Stadt gefallen in welcher er aber mit den Moscowitern viel zuthun gehabt / biß er ihrer mächtig worden. Dann / gleich wie sie im Felde keinen

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae. Eigenverlag, Frankfurt am Mayn 1652, 2. Ausgabe um 1680, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Merian_Electoratus_Brandenburgici_et_Ducatus_Pomeraniae_526.png&oldid=- (Version vom 14.5.2023)