Seite:De Merian Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae 075.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Grund bewehrter Historien /) das fürnemblich 4. oder 5. Völcker hin vnd her in gar geringer vnd kleiner Anzahl zuvor gewohnt haben / welches die Lepontier / Coruantier / Rhucantier / Saruneter / vnnd Estner / alle Teutschen Vrsprungs / gewest seyn sollen. Man achtet auch / daß die Alten Bürg / Vestenen vnd Thürn / so der Enden / alleinig Teutsche Namen haben / von den alten Lepontiern / das ist Leuthen beym Adler / oder dem Gebürg Adula abkommen: Vorbehalten / was / nach Zerstörung deß Römischen Reichs / die Gothi / Longobardi / Franci / vnd andere Teutsche dahin gebawet haben. Vnnd seyn besagte Vestungen je vnd allweg / auch in den ältesten Lateinischen Brieffen / vnd da schon das Landvolck / seyd der Raetier Anfang / daselbsten allwegen Welscher Spraach gewesen (vorbehalten die / so es kurtz verrückter Jahren geändert /) mit Teutschen Worten benambset worden. Es haben aber die Lepontier allenthalben an einander gestossen / vnd was zwischen den Helvetiern / Sedunern / Salassern / Insubrern / vnd vbrigen Raetiern ist / zu Berg vnnd Thal bewohnt. Vnd haben dieselbigen die Strassen vber das Gebürg erhalten / vnd die hin vnd her wanderenden mit Herbergen / vnd anderem versehen. An die Lepontier stossen die Corvantier / so sich dem Wasser Plessur nach / von desselben Einfluß in den Rhein / biß an den Vrsprung hinder Chur hinein erstrecken / vnd ferner biß an die Berg Septmer / Julien / Albelen / Scaletten / vnd Flülen / mit allem Geländ / so zu Berg vnd Thal sich von denselbigen Bergen auff Chur zu hanget. In welchem Begriff die Churwalder seyn / so für Coruantier also genennet werden. Eswas vnter diesen / vnd den Lepontiern / dem Rhein nach hinab / haben die Rhucantier gewohnet / so von der Gelegenheit / da jetzund die Statt Chur ligt / angehebt / vnd sich an der lincken Seiten Rheins hinunder / biß an das Wässerlein Saren erstreckt: An der rechten Seiten aber / für die Lanquart / in Rhaetisch Langarus genannt / vnd das Thal Prettigöw (so auch hierinn begriffen) biß an die Estnerberger hinab gelangt haben. An die Rhucantier oder die Rauchen / auff der Gallischen Seiten deß Rheins / langen herauff die Sarnganser / nemblich die / so vnder dem Wässerlein Sarn gesessen / sich für Walhenstatt / demselbigen See nach / hinab biß gen Ober-Kirch in Gastern erstrecken / für Werdenberg aber hinab biß gen Forsteck. Auff der Germanischen Seiten deß Rheins / ligen vnden an den Rhucantiern die Estiones oder Esthner / so hinunderwerths biß an die Yll / vnd ein wenig darunder langen. Als aber die Tuscaner / vnd ihre Mit-Gefährten / vnter ihrem Fürsten vnd Heerführer Raeto / das Alp-Gebürg mit Macht / vnnd grosser Anzahl Volcks / vberfallen / sich auch zu den ersten Einwohnern gesellet / oder hin vnnd wider vnder sie gemischt hatten; seynd sie all miteinander / so wol die ersten Einwohner / als die new ankommen / vnd hernach gefolgten / in gemein Rhaetier / oder kurtz außgesprochen / Riesen / vnnd die gantz vberfallene Landschafft Rhaetia / (das Rieß) nach dem Namen deß erstgemelten Fürsten Raeti / genennet worden / inmassen auß vielen vnterschiedlichen Völckern ein eintzige Nation entstanden ist: Doch hat man darneben derselbigen besonderbahre Völcker mit ihren eygenen zum theil alten / zum theil auch newen Namen / von einander vnderscheyden. Dieweil aber die zukommenen Rhaetier zarte Leuth waren / haben sie die rauchisten Orth / vnnd hohe Wildene den alten Inhabern gantz vnd gar gelassen / welche rauhe vnd starcke Leuth gewesen / Hitz / Kält / Hunger vnd Durst erleyden mochten. Dannenher die Rheinwalder / Aferser / Vbersaxer / Thenner / Savier / vnnd Tschappiner / vnvertrieben vnnd vnvermengt geblieben / haben auch ihre vhralte gute heiter Teutsche Spraach / von ihren Alt-Vordern her / biß auff heutigen Tag steiff behalten / ob sie schon ringsweiß herumb an keine Teutschen stossen. Dann sie allenthalben mit Welsch vmbgeben seyn / vnd biß in die Statt Chur hinab kein gantz Teutschredendt Orth antreffen mögen. Die vbrigen alten Landleuth / so an den zähmern Orthen gesessen / seyn dermassen vnter die Welschen Rhaetier kommen / daß sie nach vnnd nach ihr angeborne Mutter-Spraach allenthalben verlassen / vnnd der Rhaetier annehmen müssen / als welche die zahmen Teutschen / die vnder ihnen verblieben / weit vbertroffen haben. Raetus selbst hat sich im Domleschg / oder Tomiliasca,

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae. , Frankfurt am Main 1654, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Merian_Helvetiae,_Rhaetiae_et_Valesiae_075.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)