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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Ursache des Unglücks nicht allein nicht der Moralität widersprechend, sondern sogar durch Moralität allein möglich ist, und wo das wechselseitige Leiden bloß von der Vorstellung herrührt, daß man Leiden erweckte. Von dieser Art ist die Situation Chimenens und Roderichs im Cid des Peter Corneille; ohnstreitig, was die Verwicklung betrifft, dem Meisterstück der tragischen Bühne. Ehrliebe und Kindespflicht bewafnen Roderichs Hand gegen den Vater seiner Geliebten, und Tapferkeit macht ihn zum Ueberwinder desselben; Ehrliebe und Kindespflicht erwecken ihm in Chimenen, der Tochter des Erschlagenen, eine furchtbare Anklägerinn und Verfolgerinn. Beyde handeln ihrer Neigung entgegen, welche vor dem Unglück des verfolgten Gegenstandes eben so ängstlich zittert, als eifrig sie die moralische Pflicht macht, dieses Unglück herbey zu rufen. Beyde also gewinnen unsre höchste Achtung, weil sie auf Kosten der Neigung eine moralische Pflicht erfüllen; beyde entflammen unser Mitleid aufs hochste,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_196.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)