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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Sprangen wir ans Ufer, ich verschwand;

135
Zog durch Arragoniens dürren Sand,

Trieb mich hungernd durch Navarras Wüsten
Und nach langen jammervollen Fristen
Kam ich schmachtend, sterbend in das Land,
Wo ich Leben sog an meiner Mutter Brüsten.

140
Tiefe todte Mitternacht umwand

Meinen Blick mit dicken Finsternissen:
Eilend wankt’ ich auf den ungewissen
Pfaden hin mit vorgestreckter Hand;
Rang mich durch von Ast und Dorn gerissen,

145
Bis ich hingewelkt zu Boden sank,

Und den kalten Nachtthau durstig trank.

Aechzend lag ich zwischen Tod und Leben,
Und noch sterbend, Emma, dacht’ ich dein.
Plötzlich wird es lauter in den Wüsteneyen

150
Töne vom Geklirr und Hufestampfen beben

Mir ins Ohr, die Nacht verschlingt ein Fackelschein;
Ich ermanne mich mein Haupt empor zu heben
Moruan, mein Feind, von Reisigen umgeben,
Steht vor mir. „Was!“ ruft er, „soll das seyn?

155
Heinrich du? – Liegt nicht in Syrien dein Gebein

Deine Seele scheint am Thor des Tods zu schweben.“
Sprachs im Spott, „drum helf ich ihr hinein.“ –
Flüche hatt’ ich auf den starren Lippen,
Doch der Bube stieß sein Schwert mir durch die Rippen.

160
Dreymal dunkler wards mir um den Sinn,

Und ich starb in Todesohnmacht hin.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 418. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_418.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)