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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

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die Nachtigall in sanftem Tone singt;

und alles, was da lebt, und alles, was zu fühlen
im Stande ist, nur ihr der Schönheit Opfer bringt.
     O, zeige mir dies Weib! wo lebt sie? wo beglücket
die Welt ihr Daseyn! ach! wo horcht ihr die Natur!

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und wollte sie, dort, wo auf heißer Flur

den müden Wanderer kein Schattenbaum erquicket,
und seinen troknen Mund, kein Tropfen Wasser nezt;
und wohnte sie da, wo mit ewgem Eise
ein kurzer Frühling kämpft; wo nichts das Aug’ ergözt:

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ihr zu gefallen, müßt’ aus dem gewohnten Gleise

die Sonne treten, und der öde Fichtenwald
in einen Myrthenhain sich wandeln; ja es würde
Sibirien selbst, noch jezt des Kummers Aufenthalt,
alsdann der Erde schönste Zierde.

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     Zeigst du mir dieses Weib, dann hör’ ich auf zu schmählen;

und stelle mich in deiner Jünger Reihn.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_012.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)