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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

den Amor zu besingen. Ich wüßte doch warlich keinen belohnenderen Gegenstand für einen Dichter, als diese alte und mächtige Gottheit. Und siehst du, zum größten Aerger haben auch unsre Prosaiker eben so wenig daran gedacht! Sieh nur die Schriften unsrer Sophisten an – ja, auf Herkules und dergleichen kannst du wohl Lobreden finden, wie z. B. beim Prodikus, der noch einer der besten unter ihnen ist. – Doch das möchte alles noch hingehen! Aber dieser Tagen fiel mir ein Buch in die Hand, worin ein tiefgelehrter Mann den weisen Gedanken ausführt, dem Salz eine lange Lobrede zu halten – Nein, es ist in der That nicht auszuhalten! Solche Dinge lobpreißt man, mit solchen Dingen gibt man sich soviel Mühe, und dem Amor allein will niemand ein Loblied gönnen?“ – Mich dünkt, Phädrus hat nicht so ganz Unrecht, und es wäre wohl Zeit, diesen Fehler gut zu machen. Wie wär es nun, wenn wir das Lob dieser Gottheit zum Gegenstand unsrer jetzigen Unterhaltung machten. Dürftig wenigstens ist dieser Stoff nicht, und unwürdig gewiß noch weniger! Mein Vorschlag ist also: jeder von uns hält, der Reihe nach, dem Amor eine Lobrede, versteht sich, so gut ers kann! Phädrus muß den Anfang machen, weil er oben ansitzt, und die Veranlassung zu diesem Vorschlag gegebenhat.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_182.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)