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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Kunstsinn und Fertigkeit fordert, ist es, aus den sich liebenden Theilen der Harmonie und des Rythmus ein Ganzes, das des Menschen Herz erfreue, zusammen zu sezen oder, wie die Kunstverständigen sprechen, zu komponiren, oder auch nur ein komponirtes richtig vorzutragen. Hier muß man wieder nach dem nämlichen Grundsatz verfahren, den Pausanias aufgestellt hat: Nach den gesitteten Menschen muß man sich richten, ihre Liebe muß man suchen zu erwerben, und dann auch die Liebe der noch nicht gesitteten – in der Absicht sie zu bekehren. Diese Liebe ist der himmlischen Göttin Tochter, rein und himmlisch. Polymnia’s Tochter ist die gemeine Liebe. Sie darf man nur mit großer Behutsamkeit erwecken, denn sie artet leicht in Leidenschaft aus, und man ist in Gefahr, ihr Vergnügen sehr theuer zu bezahlen. Der Musiker hat dabey ungefähr dasselbe Problem, wie der Arzt, der das rechte diätetische Ebenmaaß

ein Glossem, wodurch sich vielleicht der Glossator selbst erklären wollte, warum es leicht sey, in den Verhältnissen der Harmonie und der des Rhythmus, das sich liebende zu finden. Denn daß Eryximachus jenen Gedanken – der freylich nach seiner eignen Ankündigung der herrschende in seiner Rede ist – so gezwungen hieher gezogen haben sollte, ist um so unwahrscheinlicher, da dieser Theil der Allegorie gleich nachher besonders aufgeführt wird.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_204.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)