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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

nennen), schloß sich an sie an, und starb so mit ihr umschlungen. Jupiter ließ sichs endlich der armen Sterblichen erbarmen, und sann auf ein anderes Mittel ihnen zu helfen. Bisher hatten die Menschen sich nicht durch wechselseitige Begattung, sondern wie die Cicaden durch Befruchtung der Erde fortgepflanzt, und ihre Geschlechtstheile standen nach hinten zu. Nun versezte Zevs diese an die Vorderseite, und traf die Einrichtung zur wechselseitigen Begattung, damit durch die Umarmungen des Mannes und des Weibes das Geschlecht fortgepflanzt, und wenn Mann und Mann sich umarmen, wenigstens die Geschlechtslust gestillt würde, damit diese heftige Leidenschaft ihnen endlich Ruhe liesse, auf nützliche Geschäfte zu denken, und für ihren Unterhalt zu sorgen. Seitdem ist die Liebe ein Naturtrieb der Menschen, ein Drang die ursprüngliche Beschaffenheit wieder herzustellen, zwey Wesen in Eins zu verbinden, und die Verstümmelung der menschlichen Natur wieder aufzuheben. Jeder von uns ist also nur ein Fragment von einem Menschen, aus Einem in Zwey getheilt, wie die Schollen[1]; und jeder sucht nun seine von ihm getrennte Hälfte.

  1. Ein Geschlecht von Fischen (Pleuronectes im System), und zwar die einzigen Thiere in der Natur, die ihre beiden Augen, ihre beiden Nasenlöcher etc. auf einer Seite des Kopfes haben, [214] so daß man sie beynah für halbirt oder durchschnitten ansehen könnte. S. Wolfs Ausg. des Symp. an dieser Stelle.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_213.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)