Seite:De Neue Thalia Band2 255.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Vor allem Männern ist er liebenswürdig:
Es mußt’ ihn stark dein weiches Herz ergreifen

250
da er als Freund der deinen oft dich sah,

im freien Umgang allen Reiz enthüllte,
der um sein ganzes Wesen lieblich blüht.
Ich ahnd’ auch, er umschlingt dich mit Verlangen,
und ehrt nur die versprochne Braut. O wie

255
bered’t war mir sein Schweigen, als die Freunde

glückwünschend sich zum Vater drängten, er
der erste sonst zum Mitempfinden – kalt
und ferne blieb, aus der gepreßten Brust
kein Wort zu athmen wagte! Liebe nur

260
voll eigensinn’ger Kinderlaunen lößt

dies Räthsel, alles ist ihr des Geliebten Glück,
doch nur von ihrer Hand soll ers empfangen.
Wie seh ich’ klar, was euch so dämmernd scheint!
des Vaters ernst gegeb’nes Wort wird leicht

265
zurükgenommen, ist der Bräutigam

so edel als der Ruf ihn nennt. Vielleicht
beut Liebe dir, als holder Jugendbaum
der Jahre kaltem Schatten neu entschwebend,
die ehr’ne Heldenbrust geöfnet dar,

270
und deine Bitten dringen zum Gemüth

des Vaters. Leicht bewegt der Kinder Herz

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_255.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)