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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

beziehen, die zwischen mir und Agathon eben ausgemacht worden sind. Ich werde auch, nach deiner Methode lieber Agathon, zuerst zeigen, wer Amor ist und welche Eigenschaften er hat, und dann, was er für Wirkungen hervorbringt. Die Ausländerinn hat selbst bei ihrer Entwickelung des Gegenstandes diesen Gang gewählt, ich brauche also bloß ihrer Ordnung zu folgen.

„Diotima hatte ungefähr eben das von mir gehört, was wir alle eben von Agathon gehört haben: Amor sei eine große Gottheit, und das Schöne sei ihr Gegenstand; und mit eben den Gründen, die ich jezt gegen Agathon gebraucht habe, hatte sie mich überwiesen, daß Amor weder schön sei, wie ich behauptet hatte, noch gut. Nun sagte ich: Wie, Diotima, Amor ist also häßlich und böse? – „Ein wenig ehrerbietiger, wenn ich bitten darf! Meinst du, was nicht schön sei, das müsse nothwendig häßlich sein?“ – Mir scheints so. – „So gäbe es also auch zwischen wissenschaftlicher Einsicht und Unwissenheit kein drittes. Sollte nicht zwischen beiden noch etwas in der Mitte liegen?“ – Was denn? – „Weißt du nicht, daß richtig Urtheilen ohne Bewußtsein der Gründe, weder Wissenschaft heissen kann, noch Unwissenheit? Das erstere nicht; denn wie kann man Wissenschaft heissen, wovon man

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_336.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)