Seite:De Neue Thalia Band2 340.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Eltern hat er folgende Eigenschaften geerbt. Als Sohn der Penia, ist er immer arm; weder fein gebildet noch schön, sondern rauh und unrein; ohne Schuhe, ohne Haus, ohne Bett; auf dem Boden, vor den Thüren, auf den Straßen, unter freiem Himmel schlafend; stets von Mangel begleitet. Der Natur seines Vaters zufolge aber, ist er leidenschaftlich für alles Gute und Schöne, tapfer, kühn, unternehmend, ein gewaltiger Jäger, ränkesüchtig, wißbegierig, erfinderisch im Besiegen einer Schwierigkeit; Philosoph in allem was er beginnt; ein gefährlicher Schwarzkünstler, Zauberer und Sophist. Vermöge seiner Natur gehört er weder zu den Unsterblichen noch zu den Sterblichen. Er stirbt oft an eben dem Tage, an dem er den höchsten Gipfel seines Glüks erreicht. Aber, als der Sohn dieses Vaters, lebt er immer von neuem wieder auf. Was er erwirbt, zerrinnt im Augenblick wieder. Daher ist er niemals ganz arm, aber auch niemals reich. Eben so verhält sichs bei ihm auch in Rüksicht des Wissens und der Unwissenheit. Die Sache muß nämlich so angesehen werden. Ein Gott philosophirt nicht, denn er kann den Zweck nicht haben, sich Weisheit zu erwerben, weil er sie schon hat. Ein anderer, der schon weise ist, philosophirt auch nicht. Die Unwissenden endlich, philosophiren auch nicht, und verlangen nicht, weise zu werden.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_340.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)