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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Denn gerade in dieser Rüksicht ist Unwissenheit das schlimmste Uebel, daß nämlich eine unzeitige Selbstgenügsamkeit alle Erkenntniß seines Mangels an Rechtschaffenheit und Verstand verhindert; denn natürlich hat der, der nicht fühlt, daß ihm etwas fehlt, auch kein Verlangen, es sich zu erwerben.“ – Für wen wäre denn aber das Philosophiren aufbehalten, wenn weder die Weisen noch die Unwissenden es gebrauchen? – „Ich dächte, das könnte ein Kind begreifen! Für diejenigen, die keins von beiden sind. Und zu diesen gehört auch Amor. Unter den schönen Gegenständen ist Weisheit einer der vorzüglichsten. Amor ist ein Freund des Schönen; er muß folglich auch ein Freund der Weisheit seyn. Als Freund der Weisheit aber muß er zwischen dem Weisen und dem Unwissenden in der Mitte stehen. Auch dies läßt sich aus seinem Ursprunge erklären, weil er nämlich einen weisen und reichen Vater, aber eine dürftige und geistesarme Mutter hatte. Dies ist also die Natur dieses Dämons. Es ist übrigens kein Wunder, daß du dir einen andern Begriff von dem Amor gebildet hast. Soviel ich aus deinen Aeusserungen schliessen kann, so hältst du das Objekt der Liebe und nicht das Subjekt für den Amor. Daher begreife ich leicht, wie er dir als ein so ganz vollkommnes Wesen vorkommen mußte. Das Objekt der Liebe ist freylich Schönheit,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_341.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)