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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

nach dem immerwährenden Besitz des Guten.“ – Eine unwidersprechliche Wahrheit. – „Wenn nun ein solches Verlangen also die wesentliche Beschaffenheit der Liebe überhaupt ausmacht: durch was für eine Art des Bestrebens, durch was für eine Handlung äußert sich die Liebe? im eigentlichen Sinne? Kannst du mir das sagen?“ – Würde ich deine Weisheit so bewundern, Diotima, würde ich Belehrung darüber bei dir suchen, wenn ich das könnte? – „Nun so will ich es dir sagen. Es ist die Zeugung im Schönen, sowohl im körperlichen als geistigen Sinne.“ – Deine Worte sind so dunkel, daß sie eines Orakels bedürften. Ich verstehe nicht, was du sagen willst. – „Ich will mich deutlicher erklären. Alle Menschen empfinden, sowohl dem Körper als der Seele nach, einen Zeugungstrieb, wenn sie in ein gewisses Alter kommen. Diese Zeugung kann aber durch das Häßliche nicht geschehen, sondern nur durch das Schöne. Eine Art der Zeugung geschieht durch die Vermischung des männlichen und weiblichen Geschlechts. Diese ist ein göttliches Werk, und Zeugung und Empfängniß giebt dem sterblichen Menschengeschlecht eine Art von Unsterblichkeit. Zeugung kann aber zwischen Wesen nicht vorgehen, die nicht in dieser Hinsicht mit einander zusammenstimmen. Nun stimmt aber mit dem Göttlichen nicht das Häßliche, wohl aber das Schöne zusammen. Folglich

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_346.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)