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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

diesen überirdischen Anblick wirkliche Tugenden in einem Menschen erzeugt und von ihm zur Reife gebracht worden, dann ist er ein Liebling der Götter; und ein solcher – wenns irgend eines Sterblichen Loos ist – ist der Unsterblichkeit Erbe.

Dies ist es, meine Freunde, was Diotima mich lehrte. Ich glaube, was sie mir sagte; und ich suche nun auch andre davon zu überzeugen, daß es für die Sterblichen schwerlich einen vortreflicheren Führer zu diesem erhabnen Ziele gebe, als die Liebe. Eben deswegen fordre ich auch von allen Verehrung des Amors. Mir selbst sind die Mysterien der Liebe heilig, ich übe mich in denselben mit großem Eifer, ich muntere zu gleichem Eifer auch andere auf, und preise, so gut ich kann, Amors Macht und Herrlichkeit jezt und immerdar. – Diese Rede, lieber Phädrus, lasse mir statt meiner Lobrede auf Amor gelten. Willst du sie aber nicht dafür annehmen, so nehme sie wofür du sonst willst.“

Nachdem Sokrates aufgehört hatte zu sprechen, erschallten ihm Lobsprüche von allen Seiten. Aristophanes, von dessen Rede Sokrates im Vorbeigehen Erwähnung gethan hatte, wollte etwas sagen. Er hatte aber kaum angefangen zu sprechen, als plözlich an der Thüre des Vorhofes gepocht wurde. Man hörte einen großen Lerm, der eine Gesellschaft

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_360.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)