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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Also ihr Männer! Nachdem das Licht gelöscht war, und die Bedienten sich wegbegeben hatten, glaubte ich gegen meinen Gast nicht länger zurückhalten zu müssen, sondern ohne Verstellung zu sprechen, wie mirs ums Herz war. Ich stieß ihn also an, und fragte: „Schläfst du, Sokrates?“ – O nein, gab er mir zur Antwort. – „Erräthst du, was ich muthmaße?“ – Was denn? – „Ich glaube, daß ich an dir einen Liebhaber gefunden habe, und zwar den einzigen, den ich für würdig halte es zu seyn; eine gewisse Blödigkeit scheint nur deine Erklärung zurück zu halten. Allein, so wie ich gegen dich gesinnt bin, würde es sehr ungereimt sein, dir nicht alles zu überlassen, mich selbst, meine Güter, meine Freunde, wenn du willst. Mir liegt nichts so sehr am Herzen als meine Vervollkommnung, und wer sollte mich dazu sichrer leiten können als du? Einem solchen Manne mich nicht ganz zu übergeben, müßte mir selbst mehr Schande in den Augen der Verständigen bringen, als, mich ihm zu überlassen, in den Augen der Unverständigen.“ – Freund Alcibiades, erwiederte er mit all dem beissenden Spott, der ihm so besonders eigen ist, du verstehst in der That deinen Handel nicht übel, wenn das wahr ist, was du von mir rühmst, daß in mir eine Kraft wohnt, durch welche du vollkommner zu werden hoffest. Das wäre also eine Schönheit von ganz

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_375.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)