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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

welches dem ungeheuren Domgewölbe das magische Ansehen eines Feenpallastes gab. Die Bauart des Innern war über allen Ausdruck erhaben, Säulen von schneeweissem Marmor mit goldgestreiften Kapitälern schmückten die herrlichgeformte Wand, einige schwarze Marmortafeln mit großen, goldenen Characteren überraschten mein Auge, und ein mysteriöses Echo gab meinem Ohre auch das leiseste Rauschen eines Blattes hundertfach zurück, indem es Geistern gleich an den Wänden des Doms herumzuschweben schien. Gegen den Haupteingang über lag eine verschlossene Thüre, schneeweiß mit schwarzer Einfassung, oben strahlte eine goldene Krone. Ich konnte mich nicht sättigen an dem Anblicke, solche Größe und Schönheit hatte ich nie gesehen, nie vermuthet. Allein ich ward fürchterlich aufgeweckt aus meinen überirdischen Träumen, das Gewitter überzog würklich mein einsames Thal, ich ward plötzlich in rabenschwarze Finsterniß eingehüllt, der Donner rollte tausendfach verstärkt in dem Domgewölbe, und jeder Blitz öffnete eine fürchterliche Aussicht auf die weissen Ruinen, welche mir jezt eben so viel herumwandelnde Gestalten zu seyn schienen. Ich warf mich in wahrer Todesangst auf die Knie, und erwartete den Feuerstrahl der mich zerschmettern sollte. Das Gewitter kam immer näher, ein rasender Orcan riß, so schien es mir, die Säulen

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_400.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)