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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

leicht blenden und stolz machen. Dadurch daß wir den Plan der Vorsehung gleichsam zu übersehen glauben, halten wir uns leicht für selbstgeschäftige Mitarbeiter derselben, und setzen uns in Gedanken eine Stufe höher als andere Menschen, die wir für völlig untergeordnet annehmen. Wir vergessen auch sehr leicht, daß unsere Einsicht in diesem Falle doch nur problematisch bleibt, und wer nicht nach unserer Hypothese den Plan der Vorsehung befördert, der ist uns ein Verruchter, den wir vertilgt wünschen oder völlig verachten, nachdem unsere Gemüthsart leidenschaftlicher oder großmüthiger ist. Kurz wir werden übermüthig und aus dem, dem Anschein nach, edelsten Bestreben unsers Geistes, kann die schlimmste aller Folgen die Verketzerungssucht[WS 1] in allen ihren Arten folgen. Die Stimmung Heimdals schien mir sich sehr dahin zu neigen, und deßhalb wollte ich nicht, ehe er demüthiger gestimmt war, über Gegenstände sprechen, die uns auf Religionsbegriffe dürften geleitet haben.

Balder. Ich habe aber öfters über diesen Punkt mit Heimdal gesprochen, und ich verdanke ihm größtentheils meine erweiterte Denkart in der Religion, er sprach jederzeit wider den Sektengeist, und gegen die Verketzerungssucht.


  1. Vorlage: Verkezterungssucht
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_062.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)