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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

sind sie nur durch den Verstand, und ihre technische Vollkommenheit hat also schon Existenz im Verstande, ehe sie in die Sinnenwelt hinübertritt, und zur Erscheinung wird. Schönheit hingegen hat das ganz eigenthümliche, daß sie in der Sinnenwelt nicht bloß dargestellt wird, sondern auch in derselben zuerst entspringt; daß die Natur sie nicht bloß ausdrückt, sondern auch erschafft. Sie ist durchaus nur eine Eigenschaft des Sinnlichen, und auch der Künstler, der sie beabsichtet, kann sie nur in so weit erreichen, als er den Schein unterhält, daß die Natur gebildet habe.

Die Technik des menschlichen Baues zu beurtheilen, muß man die Vorstellung der Zwecke, denen sie gemäß ist, zu Hülfe nehmen; dieß hat man gar nicht nöthig, um die Schönheit dieses Baues zu beurtheilen. Der Sinn allein ist hier ein völlig kompetenter Richter, und dieß könnte er nicht seyn, wenn nicht die Sinnenwelt (die sein einziges Objekt ist) alle Bedingungen der Schönheit enthielte, und also zu Erzeugung derselben vollkommen hinreichend wäre. Mittelbar freylich ist die Schönheit des Menschen in dem Begriff seiner Menschheit gegründet, weil seine ganze sinnliche Natur in diesem Begriffe gegründet ist, aber der Sinn, weiß man,

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_130.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)