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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

aber auch so weit sie mimisch ist, ist sie sein. Denn, wenn gleich der größere Theil dieser mimischen Züge, ja wenn gleich alle bloßer Ausdruck der Sinnlichkeit wären, und ihm also schon als bloßem Thiere zukommen könnten, so war er bestimmt und fähig, die Sinnlichkeit durch seine Freyheit einzuschränken. Die Gegenwart solcher Züge beweißt also den Nichtgebrauch jener Fähigkeit, und die Nichterfüllung jener Bestimmung; ist also eben so gewiß moralisch sprechend, als die Unterlassung einer Handlung, welche die Pflicht gebietet, eine Handlung ist.

Von den sprechenden Zügen, die immer ein Ausdruck der Seele sind, muß man die stummen Züge unterscheiden, die bloß die plastische Natur, insofern sie von jedem Einfluß der Seele unabhängig wirkt, in die menschliche Bildung zeichnet. Ich nenne diese Züge stumm, weil sie als unverständliche Chiffern der Natur von dem Karakter schweigen. Sie zeigen bloß die Eigenthümlichkeit der Natur im Vortrag der Gattung, und reichen oft für sich allein schon hin, das Individuum zu unterscheiden, aber von der Person können sie nie etwas offenbaren. Für den Physiognomen sind diese stummen Züge keineswegs bedeutungsleer, weil der Physiognome nicht bloß wissen will, was der Mensch

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_160.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)