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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

welche es ihm unmöglich wäre, die Begierde von sich zu halten, und den nachdrücklich sprechenden Instinkt zum Schweigen zu bringen. Der so gestimmte Geist läßt die von ihm abhängende Natur, sowohl da, wo sie im Dienst seines Willens handelt, als da, wo sie seinem Willen vorgreifen will, erfahren, daß er ihr Herr ist. Unter seiner strengen Zucht wird also die Sinnlichkeit unterdrückt erscheinen, und der innere Widerstand wird sich von aussen durch Zwang verrathen. Eine solche Verfassung des Gemüths kann also der Schönheit nicht günstig seyn, welche die Natur nicht anders als in ihrer Freyheit hervorbringt, und es wird daher auch nicht Grazie seyn können, wodurch die mit dem Stoffe kämpfende moralische Freyheit sich kenntlich macht.

Wenn hingegen der Mensch, unterjocht vom Bedürfniß, den Naturtrieb ungebunden über sich herrschen läßt, so verschwindet mit seiner innern Selbstständigkeit auch jede Spur derselben in seiner Gestalt. Nur die Thierheit redet aus dem schwimmenden ersterbenden Auge, aus dem lüstern geöfneten Munde, aus der erstickten bebenden Stimme, aus dem kurzen geschwinden Athem, aus dem Zittern der Glieder, aus dem ganzen erschlaffenden Bau. Nachgelassen hat aller

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_174.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)