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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Gesetzt, wir erblicken an einem Menschen Zeichen des quaalvollesten Affekts aus der Klasse jener ersten ganz unwillkührlichen Bewegungen. Aber indem seine Adern auflaufen, seine Muskel krampfhaft angespannt werden, seine Stimme erstikt, seine Brust emporgetrieben, sein Unterleib einwärts gepreßt ist, sind seine willkührlichen Bewegungen sanft, seine Gesichtszüge frey, und es ist heiter um Aug und Stirne. Wäre der Mensch bloß ein Sinnenwesen, so würden alle seine Züge, da sie dieselbe gemeinschaftliche Quelle hätten, mit einander übereinstimmend seyn, und also in dem gegenwärtigen Fall alle ohne Unterschied Leiden ausdrücken müssen. Da aber Züge der Ruhe unter die Züge des Schmerzens gemischt sind, einerley Ursache aber nicht entgegengesetzte Wirkungen haben kann, so beweist dieser Widerspruch der Züge das Daseyn und den Einfluß einer Kraft, die von dem Leiden unabhängig, und den Eindrücken überlegen ist, unter denen wir das Sinnliche erliegen sehen. Und auf diese Art nun wird die Ruhe im Leiden, als worinn die Würde eigentlich besteht, obgleich nur mittelbar durch einen Vernunftschluß, Darstellung der Intelligenz im Menschen und Ausdruck seiner moralischen Freyheit. [1]


  1. In einer Untersuchung über Pathetische Darstellungen wird im 3ten Stück der Thalia umständlicher davon gehandelt werden.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_204.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)