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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Wo sich Grazie und Würde vereinigen, da werden wir abwechselnd angezogen und zurückgestoßen;


welche aus der Verbindung der Grazie mit der Würde hervorgeht, aufgefaßt und beschrieben. Aber was er vereinigt fand, nahm und gab er auch nur für Eines, und er blieb bey dem stehen was der bloße Sinn ihn lehrte, ohne zu untersuchen, ob es nicht vielleicht noch zu scheiden sey. Er verwirrt den Begriff der Grazie, da er Züge, die offenbar nur der Würde zukommen, in diesen Begriff mit aufnimmt. Grazie und Würde sind aber wesentlich verschieden, und man thut unrecht, das zu einer Eigenschaft der Grazie zu machen, was vielmehr eine Einschränkung derselben ist. Was Winkelmann die hohe, himmlische Grazie nennt, ist nichts anders, als Schönheit und Grazie mit überwiegender Würde. „Die himmlische Grazie, sagt er, scheint sich allgenügsam, und bietet sich nicht an, sondern will gesucht werden; sie ist zu erhaben, um sich sehr sinnlich zu machen. Sie verschließt in sich die Bewegungen der Seele, und nähert sich der seligen Stille der göttlichen Natur. – Durch sie, sagt er an einem andern Ort, wagte sich der Künstler der Niobe in das Reich unkörperlicher Ideen, und erreichte das Geheimniß,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_214.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)