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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Thüringerwald, wenn ihn die untergehende Sonne zum Schauplatz fantastischer Bilder einweihte, und ich mich voll Unmuths sehnte in ihm auf Abentheuer herumzuwandeln, wie Ritter Hüon im Gebürge Libanons. Da dachte ich nur alle die großen, wimmelnden Städte, welche mit ihren Thürmen und Schlössern hinter ihm liegen, und ahndete, in ihnen zu finden, was mir so oft mangelte, warmen deutschen Händedruck, Zutrauen und Gerechtigkeit. O, es ist eine unnennbare Quaal, dazustehen mit einem Herzen voll Liebe und Traulichkeit, das so gerne überflösse, so gern sich hingäbe, und sich verstoßen sehen muß von mistrauischer kalter Sittenrichterey!

Nie, Constantin, werde ich die Stunden vergessen, wo ich auf der Spitze des Jenzig so lange in den schönen Ultramarin schaute, der unsern Horizont umgürtet, bis ich in dichterische Entzückungen verlohren, Palläste, gothische Dome, romantische Felsenburgen und die Gärten der Semiramis aus dem lichten Nebel hervorgehen sah, die mir alle winkten, die mich freundlich einluden, bald in die blaue Ferne zu kommen. Hier las ich im Xenophon die goldenen Worte des großen Socrates; hier entzükten mich die feinen Lehren Horazens und Wielands; hier stärkte mich zuerst das Mark aus Müllers Geschichte

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_264.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)