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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Eben komme ich von der berühmten Wartburg bey Eisenach, wo unser Luther so manchen Donnerkeil schleuderte gegen den Hof zu Rom und seine Creaturen. In einer romantischen Wildniß liegt diese Felsenburg, ihr gegenüber trauern Ruinen und unten lebt oder vegetirt die Stadt Eisenach. Ich ließ mich herumführen, gab aber wenig Achtung auf die Weisheit meines Cicerone, vielmehr kränkte es mich, den Namen eines großen Mannes, von einem der armseligsten Kerle, die ich je gesehen habe, so oft profanirt zu hören. Allein es ist ja das Loos unsrer deutschen Unsterblichen, daß der Pöbel Dintenfässer vorzeigt, womit sie dem Teufel Löcher in den Kopf geworfen haben sollen, während die Gelehrten sich herumzanken wie alt die älteste Mume der virorum clarorum war, anstatt sich um den Geist ihrer Schriften und um die ewige Würkung ihrer Reden und Thaten zu bekümmern.


Ich schwebte über die schöne Bergstraße daher, ohne zu wissen wie, ohne zu fühlen, daß mein Ich in einem Körper eingehüllt ist. Endlich hörte ich Glockenklang, und näher kam ein Heerzug betender Landleute, angeführt von Geistlichen mit Lichtern, Cimbeln, Kreuzen und Fahnen. Die Wallfahrt gieng nach einer einsamen Kapelle,

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_270.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)