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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

und warlich es scheint über diesem Gebäude ein Unstern gewaltet zu haben, wie über manchem großen Manne, denn was die Mordbrenner verschont hatten, ward zerschmettert von Donner und Blitz. Ein seltsamer Schauer überlief mich, als ich in den großen leeren Hof trat, wo jeder Fußtritt aus den Ruinen rings umher wiederhallt und alles ruft: Eitelkeit! Vergänglichkeit! – Aber solche Massen aufzuthürmen, solche gigantische Plane auszuführen, vermochte doch der schwache Mensch; was kann er dafür, daß es Endzweck der Natur ist, nichts lange in gleicher Gestalt zu dulden, sondern mit Vernichtung und Auferstehung, mit Tod und Leben unaufhörlich abzuwechseln! Sonderbar schien es mir, als ich unter diesen Trümmern drey schöne Granit-Säulen aus dem uralten Pallaste Kaiser Karls des Großen zu Ingelheim, antraf. Welche seltsame Folge von Revolutionen! Es ist ein herrlicher Genuß kein Fremdling zu seyn in der Geschichte seltener Männer, und dann auf Stellen zu treten, wo sie einst lebten, Dinge zu sehen, die ihnen nahe standen.

Ich schwärmte einige Stunden in dem Gemäuer herum, erstieg Treppen, erkletterte Thürme und schaute hinab in die herrlichste Landschaft, welche je ein Salvator Rosa mahlen, ein Wieland dichten kann.

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_276.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)