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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Menschen wird schlechterdings ein moralischer Widerstand gegen das Leiden gefodert, durch den allein sich das Princip der Freyheit in ihm, die Intelligenz, kenntlich machen kann.

Aus diesem Grunde verstehen sich diejenigen Künstler und Dichter sehr schlecht auf ihre Kunst, welche das Pathos, durch die bloße sinnliche Kraft des Affekts und die höchstlebendigste Schilderung des Leidens, zu erreichen glauben. Sie vergessen, daß das Leiden selbst nie der lezte Zweck der Darstellung und nie die unmittelbare Quelle des Vergnügens seyn kann, das wir am tragischen empfinden. Das Pathetische ist nur aesthetisch, in so fern es erhaben ist. Wirkungen aber, welche bloß auf eine sinnliche Quelle schließen lassen, und bloß in der Affektion des Gefühlvermögens gegründet sind, sind niemals erhaben, wieviel Kraft sie auch verrathen mögen: denn alles Erhabene stammt nur aus der Vernunft.

Eine Darstellung der bloßen Paßion (sowohl der wollüstigen als der peinlichen) ohne Darstellung der übersinnlichen Widerstehungskraft heißt gemein, das Gegentheil heißt edel. Gemein und edel sind Begriffe, die überall, wo sie gebraucht werden, eine Beziehung auf den

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_376.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)