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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Unter der Stirn ist der Streit zwischen Schmerz und Widerstand, wie in einem Punkte vereinigt, mit großer Wahrheit gebildet; denn indem der Schmerz die Augenbraunen in die Höhe treibt, so drücket das Sträuben gegen denselben das obere Augenfleisch niederwärts und gegen das obere Augenlied zu, so daß dasselbe durch das übergetretene Fleisch beynahe ganz bedeckt wird. Die Natur, welche der Künstler nicht verschönern konnte, hat er ausgewickelter, angestrengter und mächtiger zu zeigen gesucht; da, wohin der größte Schmerz gelegt ist, zeigt sich auch die größte Schönheit. Die linke Seite, in welche die Schlange mit dem wüthenden Bisse ihr Gift ausgießet, ist diejenige welche durch die nächste Empfindung zum Herzen am heftigsten zu leiden scheint. Seine Beine wollen sich erheben um seinem Uebel zu entrinnen; kein Theil ist in Ruhe, ja die Meißelstriche selbst helfen zur Bedeutung einer erstarrten Haut.“

Wie wahr und fein ist in dieser Beschreibung der Kampf der Intelligenz mit dem Leiden der sinnlichen Natur entwickelt, und wie treffend die Erscheinungen angegeben, in denen sich Thierheit und Menschheit, Naturzwang und Vernunftfreyheit offenbaren! Virgil schilderte bekanntlich denselben Auftritt in seiner Aeneis,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_387.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)