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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

Ein philosophisches Gedicht. 39


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Wenn jetzt mit Eins das neu geborne Licht

In jugendlicher Kraft den dunkeln Hain durchbricht,
Und Tag und Himmel liegt neu vor ihm aufgeschlossen:
In jedem Zauberreiz hold, wie ein Feenland,
Das goldner Schimmer übergossen,

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Staunt er die Gegend an, und weilt wie hingebannt:

Hat eine zauberische Hand
Den Schleyer ihm vorm Auge weggezogen?
Vom süssen Sinnenspiele süß betrogen,
Ists ihm, als hätt’ er dieses Land,

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In Träumen längst, und jetzt in Wahrheit erst erkannt.


Die ihr an reine Liebe nimmer glaubet,
Die ihr, versenkt in thierisch-niedre Lust,
Hinweggerissen von der Wahrheit Brust,
Der Güter köstlichstes euch selber früh geraubet,

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Ihr Sinnensklaven sagt, und, wär’ es auch ein Wahn,

Was konnte je den Geist zu solchem Thatenleben
Beflügeln und zum Göttlichsten erheben,
Wie es der Gott in uns, der Liebe Geist gethan?

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_039.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)