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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

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Der Noth ist jede Lust entsprossen,

Und unter Schmerzen nur gedeiht
Das Liebste, was mein Herz genossen,
Der holde Reiz der Menschlichkeit;
So stieg in tiefer Fluth erzogen,

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Wohin kein sterblich Auge sah,

Stillächelnd aus den schwarzen Wogen
In stolzer Blüte Cypria.

Durch Noth vereiniget, beschwuren
Vom Jugendtraume süß berauscht,

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Den Todesbund die Dioskuren,

Und Schwerd und Lanze ward getauscht;
In ihres Herzens Jubel eilten
Sie, wie ein Adlerpaar, zum Streit,
Wie Löwen ihre Beute, theilten

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Die Liebenden Unsterblichkeit. —


Die Klagen lehrt die Noth verachten,
Beschämt und ruhmlos läßt sie nicht
Die Kraft der Jünglinge verschmachten,
Giebt Muth der Brust, dem Geiste Licht;

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Der Greise Faust verjüngt sie wieder;

Sie kommt, wie Gottes Blitz, heran,
Und trümmert Felsenberge nieder,
Und wallt auf Riesen ihre Bahn.

Mit ihrem heil’gen Wetterschlage,

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Mit Unerbittlichkeit vollbringt

Die Noth an Einem großen Tage,
Was kaum Jahrhunderten gelingt;
Und wenn in ihren Ungewittern
Selbst ein Elysium vergeht,

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Und Welten ihrem Donner zittern —

Was groß und göttlich ist, besteht. —

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_223.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)