Seite:De Platt pflegen (Wienbarg) 024.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gedankenlosigkeit für eine Sünde, bestraft sie wie einen Fehler, bindet meinetwegen euren Schülern ein symbolisches Brett vor den Kopf oder stellt sie mit dem Kopf an die bretterne Wand, oder hängt ihnen, wie die Engländer thun, Eselsohren an, oder setzt sie, wie unsere Alten thaten, mit dem Steiß auf hölzerne Esel und vor allen Dingen, hütet euch, selbst die Esel zu sein.

Ich bin aber gar nicht gesonnen, bloß den Lehrern ex professo die Volkserziehung anheim zu stellen – ihnen dieselbe auf den Rücken zu laden, sollte ich wol sagen, bedenke ich das Loos so vieler tausend braven Männer, die bei kümmerlichem Brod ihre tägliche Noth und Sorge haben. Nur immer die Lehrer, nur alles auf ihre Kappe, nur alle Sorge, allen schlechten Erfolg der Erziehung auf ihren Antheil gewälzt. Das ist bequem, bequem freilich, aber nicht patriotisch. Jeder Patriot ist gelegentlich und er sucht die Gelegenheit – Erzieher, Bildner der Menschen, in deren Umgebung er lebt, hier hebt er einen Stein auf, dort ist sein Wort eine Pflugschaar, welche ein Stück harter Krufte aufreißt, dort ein Saamenkorn, das sich heimlich und zu einstiger Frucht in die Spalten des Gemüths einsenkt.

Volksbildung, Wunsch meiner Wünsche, Ideal, nicht träumerisches, abgöttisches, rückwärts gewandtes, aufwärts in den leeren Himmel blickendes, ich glaube an Dich; Ideal, das keinem Dichter vielleicht Stoff zum Besingen gibt, das vielleicht unter der Würde des Metaphysikers steht, das die scholastische Zunft Ketzerei schilt und der Politiker belächelt, Ideal meiner Seele, Ideal aller Patrioten, im Namen aller spreche ich es aus, ich glaube doch und noch immerfort an Dich.

Laßt ihr gebildeten Niedersachsen die alten Feudalvorurtheile über den Stand eurer Bauern die unreifen Ansichten über ihre Bildungsfähigkeit fallen und fahren; erstere sind so roh, wie leider der Bauernstand jetzt noch selber, letztere so intellektuell hochmüthig, wie man nur immer von einem Stand exklusiv Gebildeter im und über’m Volk erwarten kann. Bedenkt aber, was ich sage. Ein Leibnitz, zehn Jahr mit sich allein im dunkeln feuchten

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Ludolf Wienbarg: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden?. Hoffmann und Campe, Hamburg 1834, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Platt_pflegen_(Wienbarg)_024.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)