Seite:De Standesherrliche Rechtsverhältnisse (Großh Hess)(1820) 129.jpg

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sich allenfalls gesetzlich veranlaßt gefunden haben könnten, in kürzester Zeitfrist erkennen.

Das Standes-Gericht wird von Uns, nachdem die Untersuchungs-Commission nach geschlossener General-Untersuchung, oder, wenn bereits auf Special-Untersuchung erkannt worden wäre, nach vollständiger Beendigung derselben und des Vertheidigungs-Verfahrens, die Acten an Uns eingesendet hat, in Unserer Residenz angeordnet, und aus dem Präsidenten Unseres Ober-Appellations-Gerichtes oder dessen Stellvertreter, und sechs Richtern gleichen Standes mit den Angeschuldigten zusammengesetzt.
In Ermangelung einer erforderlichen Anzahl fähiger Ebenbürtiger, wird das Gericht aus Mitgliedern der ersten Cammer Unserer Landstände ergänzt.
Den Vorsitz und die Leitung hat der genannte Präsident Unseres Ober-Appellations-Gerichts. Zwei Ober-Appellations-Gerichtsräthe werden von dem Präsidenten zu Re- und Correferenten ernannt, welche jedoch nur eine beratende Stimme haben. Der erste Secretär des Ober-Appellations-Gerichts führt das Protocoll.
Das von den Gerichts-Beisitzern gefällte Erkenntniß, wird Uns mit dem Gutachten über die etwa vorhandenen Begnadigungs-Gründe, und den desfallsigen Anträgen der beiden Referenten zur Entschließung vorgelegt. Erfolgt keine Begnadigung, so wird das Urtheil auf gesetzliche Weise durch Unser Ober-Appellations-Gericht zum Vollzug gebracht.
Dieses Gericht von Standesgenossen kommt nicht nur den Häuptern der standesherrlichen Familien, sondern auch den ebenbürtigen Mitgliedern dieser Familien beiderlei Geschlechts zu statten. Alle diejenigen Mitglieder standesherrlicher Familien aber, welche sich in Unserem Militär- oder Civil-Dienst befinden, werden in peinlichen Fällen nach den allgemeinen gesetzlichen Formen gerichtet.
In Civil-Straf-Sachen ist Unser Ober-Appellations-Gerichte untersuchende und erkennende Behörde; es bildet für die Entscheidung derselben in erster Instanz einen Senat, und über das Rechtsmittel der Revision wird durch das ganze Gericht entschieden.
b.)
in Civil-Rechts-Streitigkeiten ist Unser Ober-Appellations-Gericht das forum der Standesherrn in Personal-Sachen.
Bei diesen, von Unserem Ober-Appellations-Gericht in erster Instanz zu entscheidenden Rechts-Sachen, tritt unter den, in Unserer Verordnung vom 3ten Juni 1812 enthaltenen näheren Bestimmungen das Rechtsmittel der Revision ein.
In allen Real-Sachen stehen aber die Standesherrn in erster Instanz unter den einschlägigen Gerichten.
Empfohlene Zitierweise:
Großherzog Ludwig I.: Edict, die standesherrlichen Rechts-Verhältnisse im Großherzogthum Hessen betreffend.. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1820 Nr. 17 S. 125-160. Darmstadt 1820, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Standesherrliche_Rechtsverh%C3%A4ltnisse_(Gro%C3%9Fh_Hess)(1820)_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)