Hier saß die Frau meist an den Sommerabenden und harrte seiner, bis er von der Arbeit kam; dann flog sie auf ihn zu und zwang ihn, sich auf die Bank zu setzen; er aber litt sie nicht neben sich, er setzte sie auf seinen Schoß und hielt sie wie ein Kind an seiner Brust. „Komm nur“, sagte er, „so müde bin ich nicht; ich hab’ nicht viel, ich muß es alles in meinen Armen haben.“ So sprach er eines Abends; da sah sie ihn an und strich ihm, als wolle sie etwas fortwischen, mit ihren Fingern über die Stirn. „Das da wird immer tiefer!“ sagte sie.
„Was denn, Hanna?“
„Die Falte – nein, sprich nicht, John; ich kann’s schon denken, die Brückenarbeiter haben heut’ ihr Fest; die andern sind da, sie haben Dich nicht eingeladen.“
Die Falte wurde noch tiefer. „Laß das!“ sagte er. „Sprich nicht davon; ich wär’ ja doch nicht hingegangen.“ Und er klammerte die Arme fester um sein Weib. „Am besten“, sagte er, „nur wir zwei allein.“
– – Nach einigen Monaten sollte ein Kind
Theodor Storm: Ein Doppelgänger. Berlin: Paetel, 1887, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Doppelgaenger_055.jpg&oldid=- (Version vom 14.12.2022)