Seite:De Storm Ein Doppelgaenger 092.jpg

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oder was nur an Gedanken bei der Arbeit ihm gekommen war, was sie verstand oder nicht verstand, das flüsterte er in die kleinen Ohren; er hatte keinen andern Vertrauten, und ein ewig Schweigen soll kein Mensch ertragen können.

Wohl bog das Kind bisweilen das Köpfchen zu dem seinen auf und lächelte ihm nickend zu; manchmal aber erschrak es und bat: „Nicht so! O, sag’ das nicht, mein Vater!“ Meist hielt es seine Händchen nur sanft um des Vaters Hals gestrickt. Er wußte nicht, war ihm das Kind ein neues Glück, war sie ihm nur ein Trost für ein verlorenes; denn immer wieder nach dem todten Weibe in Reu und Sehnsucht wollte ihm das Herz zerbrechen; noch im Traum bethörte ihn der Reiz des längst vergangenen Leibes, daß er, vom Schlafe auffahrend, ihren Namen durch die dunkle Kammer schrie, bis er endlich faßte, was unrettbar der Vergangenheit gehöre. Manchmal war auch das Kind erwacht und rief ihn an und weinte und streckte die Arme nach seinem Bette. Wenn er dann am Abend darauf sie in der Einsamkeit der Nacht auf seinen Armen trug, erzählte er ihr, wie Süßes ihm

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Theodor Storm: Ein Doppelgänger. Berlin: Paetel, 1887, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Doppelgaenger_092.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)