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– er sprach es laut in die einsame Nacht hinaus – „eine Schlachtjungfrau wärst Du wohl eher; und hat auch schon ein wundgehauener todter Mann an Deinem Leib gehangen!“

Fast erschrak er über die eigenen Worte, die die Stille um ihn her durchbrachen; aber er kehrte nicht um, er schritt weiter auf seinem nächtlichen Irregang. Da, von unweit vor ihm, drang es an sein Ohr, so süß, als wollt’ es alle Sehnsucht wecken, die in ihm schlief. „O, Nachtigall, selige Singerin!“ rief er, seinen Arm in das Dunkel streckend:

„Schon flog der Mai
Vorbei, Vorbei,
Und brachte nicht, was minnewerth!
Willst Du sie künden,
Soll ich sie finden,
Die Fraue, die mein Herz begehrt?“

Bald stand er, bald ging er vorsichtig weiter, und immer nur dem Schalle nach. „Was hätt’ ich bessere Führerin!“ sprach er zu sich selber.

Der Wald ging zu Ende, und durch die Stämme sah er auf einen Sandweg, auf den der Mond seinen Schein herabwarf. Jenseit, in gleicher Helle, stieg eine jähe Hügelwand empor, und eine Zinnenmauer

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Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_143.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)