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Noch eine Weile trug sie es; dann, wie in Scham ob ihrer Schwäche, riß sie das Zauberstück vom Leibe und warf es von sich, daß der Stein heraussprang; zornig zog sie das Gewand von ihrem schönen Leibe und bestieg das Ehebett. Aber auch die Seidendecke wollte ihr keine Ruhe bringen. „Komm nun! Du sollst, Du sollst!“ rief sie, als könne sie durch ihren Willen den Ehgemahl in ihre Arme zwingen. Aber er kam nicht; und das Bild des schönen Mannes, der doch ihr eigen war, peinigte sie wie ein Gespenst; und die Kerzen, die noch auf der Tafel brannten, wurden ihr unheimlich, als sei es zum Begräbniß.

Zitternd stieg sie von ihrem Lager und löschte alle bis auf eine; dann nahm sie ein Stundenglas vom Kamingesimse und stellte es in den kargen Schein. „Nichts anderes will ich sehen!“ sprach sie zu sich selber; „nur wie das Leben rinnt!“ Und so lag sie gestützten Armes auf ihrem Kissen und blickte unablässig auf den rieselnden Sand; und war das letzte Korn hindurchgefallen, so stand sie langsam auf, das Glas zu wenden. Erst als im Dämmerscheine draußen der Wald erwachte und unter ihrem Fenster der Trupp der Arbeiter auf das Feld hinausging, war der schöne Leib in Schlaf versunken. Aber auch mit der Schlafenden trieb die Minne noch

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Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_150.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)