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hinaustrat, wo die Würzebeete waren und wo das volle Mondlicht ihr entgegenquoll, da hörte sie nur noch die Nachtigall, die drüben am Waldesrande schlug. Der Athem ging heftig durch ihre offenen Lippen; sie setzte sich auf die Bank und blickte vor sich auf den Wipfel der hohen Pappel, deren Blätter im Nachthauch sich bewegten. Doch aus den beklommenen Athemzügen wurden Worte. „Was wolltest Du hier, Dagmar?“ sprach sie leise. „Die Nachtigall?“ – Sie horchte eine Weile, und der Vogel sang, als müsse er den Preis ersingen – aber Dagmar schüttelte das Köpfchen, und ihre Lippen flüsterten, indem sie die Hände vor die Augen schlug. „O heilige Jungfrau, wenn Du mir hold sein wolltest!“

Da rauschten neben ihr die dichten Pappelzweige; und ehe sie es fassen konnte, schwang ein Mann sich auf die Mauer und hinab dann in den Garten. Ein Schrei rang sich aus ihrem Munde, aber sie erstickte ihn; denn schon lag er zu ihren Füßen, jung und blond, und sah mit flehenden Augen zu ihr auf. „Seid milde, Fräulein! O, wie schön seid Ihr! Ich sah noch nimmer Euresgleichen!“

Sie sagte nichts; mit kindisch weitgeöffneten Augen blickte sie ihn an; erschreckt und doch entzückt, als wollte sie die Worte ihm von den Lippen lesen. Doch

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Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_160.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)