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fehlten, sang die Nachtigall, als müsse ihr die Brust zerspringen; und nun ein Ton – lang ausathmend, ohne Ende. „Sie stirbt!“ rief Dagmar, warf das süße Haupt zurück und schaute in des Mannes Augen. „O, kann man auch vor Liebe sterben!“ – Er aber, in dem Thörichtthun der Minne, hob ihre leichte Last gegen den Silberschein des Mondes und küßte ihre Wangen. „O meine weißen Rosen! O heilige Jungfrau, beschütze mir mein ganz unfaßlich Glück!“

Da scholl vom Schlosse her das Klirren einer Pforte, und sie wand sich jäh aus seinen Armen. „Scheiden!“ rief sie schmerzlich; dann nahm sie seine Hand und drückte sie um ihre Hüfte; doch nur für eines Athemzuges Dauer. „Nein, fort! – fort!“ rief sie in Schrecken. „O, und vergiß nicht mein; ich müßte sterben!“

Sie fühlte einen heißen Kuß auf ihren Mund; dann rauschte es in den Pappelzweigen, und sie war allein. Sie stand, als wäre sie nicht lebend; ihre Wangen waren blaß, von ihren Lippen aber schimmerte es roth: das war die Minne, die dort des anderen Paares harrte. „O Herzliebe, o sehnende Noth!“ seufzte das Kind und sank auf ihren Sitz. „Und wie heißet er denn nun? – Er? Er -?“

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Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_164.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)