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Er fuhr zusammen, denn er kannte diesen flimmernden Schein; die Seele schien ihn nur noch mühsam festzuhalten. „Sprich, mein Kind!“ sagte der Ritter sanft.

„Ich sterbe, noch heute!“ sprach sie hart, und ihre kleine Hand erfaßte mit festem Griff des Vaters Arm. „Ich hab’ noch einen Erdenwunsch. Rolf Lembeck – zürn’ nicht!“ rief sie zagend.

Aber der verhaßte Name, den sie nimmer noch gesprochen hatte, war gleich eines giftigen Wurmes Stich ihm in das Herz gedrungen. „Nenn’ den Verruchten nicht! Die Minne, die Dich bethörte, verwes’t mit Deinem Leib im Grabe!“

„Wer sagt das?“ rief sie heftig.

- „Nicht ich, mein Kind; die heiligen Bücher sagen es, die Kirche! Du weißt es ja!“

Ein Seufzer, wie ein Abschied von aller Erdenseligkeit, entrang sich ihrer Brust. Dann aber kam ein hastig Sinnen in ihre Augen, und ihre Hände strichen das wirre Haar sich von der Stirn. „Nein,“ rief sie laut und richtete sich jäh empor, ein geisterhaftes Leuchten flog aus ihren Augen, „ich weiß es, Vater: die Minne ist stärker als der Tod!“

Ein Lachen voll Verzweiflung scholl aus des Ritters Kehle: „Gott wird euch scheiden!“ rief er.

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Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_201.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)