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hinausgerückt; anders bei dem älteren Bruder; hier hatte der Tod zu raschem Ehebündniß getrieben.

     Hinter den Eichen von Grieshuus, noch oberhalb der Niederung des Flusses, war in einem Lindenkranz ein Meierhof gelegen; einst zu einem später niedergelegten Gut gehörig und aus diesem einer Base von des Junkers Mutter zugekommen, war er von Letzterer in ihrem Testamente diesem als ihrem Pathenkinde zugeschrieben. Bisher hatte ein Pächter darauf gesessen; aber die Pacht war mit dem Herbste abgelaufen; seit Monaten wirthschaftete Hans Christoph dort, den noch der alte Herr zu dem Behuf dem Sohne überlassen hatte.

     In dieses Haus war Junker Hinrich mit seinem jungen Weibe eingezogen. »Trete nur fest auf!« hatte er zu ihr gesprochen, da er nach der Trauung sie vom Wagen hob; »das hier ist mein; und nun – durch Gottes Gnade – unser!« 

     Noch heute, in des Erzählers Tagen, zeigt man in jener Gegend auf einem Vorsprung eine alte Linde, die trotz des völlig ausgehöhlten Stammes noch eine mächtige Krone in den Lüften wiegt; hier habe man derzeit die beiden schönen Menschen oftmals stehen sehen, wie sie Hand in Hand über das weite Flußtal hinausschauten, während der Sommerwind in ihren blonden Haaren wehte: auch Abends wohl, dem Schrei der wilden Schwäne horchend, die im Sternenschein dem Wasser zuflogen.

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_060.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)