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     – – Zu Anfang im Augustmonat nach der Hochzeit war es, als Junker Hinrich zur Testamentseröffnung nach Grieshuus hinüber ritt. In dem großen, seit Jahren unbenutzten Saale, oben in einem Vorsprung nach der Dorfseite, traf er nur den Landgerichtsnotar und dessen Schreiber; vergebens suchten seine Augen nach dem Bruder. Statt dessen war ein schwarzer Herr mit gepuderter Perücke hereingetreten: »Der herzogliche Rath sei, ihm zu Leide, durch häufende Geschäfte abgehalten«; und hatte sodann eine in aller Form Rechtens auf ihn ausgestellte Vollmacht auf dem Tische vor den Gerichtspersonen ausgebreitet.

     Der Herr war einer von des Rathes Unterbeamten, und die Formalien wurden für richtig angenommen. Danach wurden im Beisein der so Betheiligten die Siegel gelöst und das Testament verlesen. »Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit« begann der alte Notarius, und der Junker stand wie gebannt, die Faust um eines Sessels Lehne, und horchte athemlos; bald aber, da die lange Eingangsformel abgelesen war, schoß ihm das Blut zu Häupten, er riß von seiner Brust das Wamms zurück, und der schwere Stuhl klappte auf den Boden, daß es in dem weiten Raume widerhallte. Er hatte gehört, was zuvor nur wie ein Fieber ihm durchs Hirn geschossen war: an Geld und Gut zwar kürzte ihn des Vaters Wille kaum; aber Grieshuus, das Stammhaus, war dem jüngeren Bruder

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_061.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)