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     Sie ließ die geschnittene Haide liegen und kroch auf Händen und Füßen näher heran. Aber es war zu weit; sie stieg an der Ostseite hinan, bis sie oben unter den Bäumen entlang lief; jetzt hörte sie die Pferde stoppen, laute zornige Worte, die sie nicht verstehen konnte; dann war’s, als ob die Reiter von den Pferden auf den Boden sprangen.

     Es mußte ihr gegenüber sein, und sie trat aus den Bäumen und sah hinab; aber der Mond lag noch in Wolken; ein Gewühl war drunten, sie konnte nichts erkennen. »Mein Leben! Mein Leben!« schrie eine Stimme. »Sie ist todt; ich will dafür das Deine!«

     Die Dirne reckte den Hals: »das war Junker Hinrichs Stimme!« Da flogen die Wolken von dem Mond; blauhell lag es drunten und sie erkannte deutlich den grauen Runenstein am Wassertümpel. Zwei gesattelte leere Rosse standen unweit in dem Kraute, ein braunes und ein schwarzes, das wiehernd in die Nacht hinausrief. Daneben sah sie zwei Brüder grimmig mit einander ringen. Sie stand wie angeschmiedet; dann war’s als ob ein Eisenblitz heraufzuckte, und ein Entsetzen jagte sie von dannen; aber sie entrann nicht: ein gellender Schrei, der über die Haide fuhr, hatte sie eingeholt. Noch einmal stand sie, beide Hände an die Ohren gepreßt, zwischen den Bäumen; dann lief sie ohne Aufenthalt dem Dorfe

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_072.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)