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Eltern alle Schönheit aufgestanden ist. Es ist auch zur glücklichen Niederkunft gratuliret worden; aber die Mutter hatte doch all’ ihre Kraft dem Kinde hingegeben. Noch ein paar Jahre hat sie, meist in Kammerluft, dahingelebt; dann eines Septembermorgens, da schon die gelben Blätter vor ihrem Fenster wehten, hat sie das Kind sich bringen lassen; und, ihre magre Hand in seinen goldnen Haaren, hat sie gesprochen: »Er ist doch nicht gekommen, Rolf; und ich sterbe nun; ich war nur eine schlichte Frau, aber Du, mein schöner Sohn,« und der Knabe stand an ihrem Kissen und sah mit seinen durchdringenden Augen zu ihr auf – »Du wirst ihn sehen; grüß ihn von mir! Rolf! Vergiß nicht – –« Lallend hatte sie die letzten Worte gesprochen; ihre Hand fiel von des Kindes Haupt. Und als sie eine Weile so gelegen, hat der Knabe mit seiner Hand ihr in das magere Angesicht gegriffen; aber sie rührte sich nicht mehr. Da schrie er, und die Wärterin trug ihn hinaus.

     Als der Oberst vom Begräbniß auf dem Klosterkirchhof, wo man seine Frau nach ihrem Wunsch bestattet hatte, heimgekommen war, nahm er seinen Buben auf den Arm: »Die Mutter hat hier schlafen wollen,« sagte er, »wir beide gehen nach Grieshuus; ich will nun selber Deinen Hof verwalten; da sollst Du reiten lernen!« 

     Und der Junge sah seinen Vater fest aus seinen

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_078.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)